Mittwoch, 28. Dezember 2016

Inbetriebnahme einer HPLC Pumpe nach langer Pause


In Routinelabors steht die HPLC ja praktisch nie still, abgesehen von Wochenenden, und selbst dann läßt der der Anwender sie oft mit ganz kleinem Flow durchlaufen, damit sie am Montagmorgen sofort betriebsbereit ist.

In einem Labor an einer Universität kann es aber durchaus vorkommen, daß eine komplette Anlage ein oder zwei Semester außer Betrieb geht, weil gerade kein Projekt ansteht für die HPLC-Analytik.

Wenn dann der neue Doktorand kommt und mit seiner Arbeit beginnen will, geht erfahrungsgemäß erst mal gar nichts. Im ungünstigsten Fall hat der letzte Anwender einfach alles abgeschaltet und die Anlage nicht gespült, für die HPLC-Pumpe der GAU.

Möglichkeit 1: den Kundendienst bestellen und die Pumpe komplett überholen lassen. Das ist die sicherste und teuerste Methode.

Möglichkeit 2: Selbst herausfinden, warum die Pumpe nicht fördert – und sie mit einfachen Mittel wieder in Gang setzen. Das ist die billigste Methode, schlimmstenfalls kann man ja den Kundendienst immer noch rufen. Der wird die Pumpe mit einem Rundumschlag wieder zum Laufen bringen: neue Ventile, neue Kolben, neue Dichtungen. Ein bis zwei Tausender sind  weg....

Wie funktioniert eine HPLC-Pumpe? Zwei Kolben werden über eine Nockenwelle vor und zurück bewegt. ( 1-Kolbenpumpen sind sehr selten geworden ) Sie bewegen sich in einem Kopf, der jeweils ein Ein- und ein Auslaßventil hat. Mit jedem Kolbenhub wird eine kleine Menge Flüssigkeit angesaugt und in der Vorwärtsbewegung ausgestoßen. Die Feinheiten der Regelung sollen an dieser Stelle nicht interessieren. Die Kolben gleiten in einer Dichtung, die den Kolbenraum nach außen abschließt, sonst könnte ja kein Druck aufgebaut werden.

Es ist völlig sinnlos, an dieser Stelle vorsorglich die Kolbendichtungen auszuwechseln, das hat Zeit!

Ventilkugel und Sitz
Die wahrscheinlichste Fehlerursache sind nämlich die Ventile. Kugelventile in HPLC-Pumpen werden auf Englisch als „check valves“ bezeichnet. Sie bestehen aus einer Kugel, wie der Name schon erahnen läßt, und einem Gegenstück, dem Sitz. Wenn man ein Ventil zerlegt hat, macht sich die allgegenwärtige Gravitation bemerkbar und läßt die Kugel vom Tisch rollen, was für eine optimale Kugelform spricht. Ist es auch, denn diese Kugel ist aus einem synthetischen Saphir gefertigt und perfekt geschliffen. Die rote Farbe stammt von Cr3+-Ionen, ein synthetischer Saphir ist eigentlich farblos. Einen technischen Grund hat das nicht, aber man findet die Kugel besser, wenn sie vom Tisch gerollt ist.

Das Gegenstück, der Sitz, ist farblos und ebenfalls aus Saphir. Die durchströmende Flüssigkeit hebt die Kugel vom Sitz, in der Gegenrichtung wird die Kugel auf den Sitz gepreßt.

Manchmal sind die Ventile auch milchig-weiß, dann sind sie aus Zirkonium- oder Aluminiumoxid, die Funktionsweise ist die gleiche und nachfolgenden Hinweise gelten genauso. Die Kugelventile sind fast immer in einem kleinen Gehäuse verpreßt und lassen sich nicht entnehmen. Das macht überhaupt nichts, denn wir wollen sie ja nicht anschauen, sondern nur reinigen.

Ein Ventil geht selten kaputt, es verschmutzt ganz einfach nur. Wurde ein winziger Fremdkörper angesaugt, legt er sich zwischen Kugel und Sitz und wird festgepreßt. Bei Pumpen, die längere Zeit nicht in Betrieb waren, kleben manchmal nur die Kugeln auf dem Sitz fest. Es gibt eine einfache Methode, die jeder Anwender selbst ausführen kann, um die Ventile wieder gängig zu machen, ohne die Pumpenköpfe zu zerlegen.

Gehen Sie so vor:

Überprüfen Sie zuerst, aber die Ansaugfritte (immer Ärger mit den Fritten ) überhaupt durchlässig ist: Die Fritte in einen Behälter mit Flüsskeit legen, am Schlauch mit der Spritze saugen, den Schlauchausgang unter das Niveau der Fritte bringen. Es muß jetzt schwungvoll laufen. Haben Sie nur die geringsten Zweifel, werfen Sie die alte Fritte weg, es lohnt überhaupt nicht, hier zu sparen. -> Preise

Montieren Sie den Ansaugschlauch wieder an der Pumpe und entlüften Sie den Schlauch wie üblich.
Lösen Sie die Verschraubung an den Außlaßventilen und schalten Sie die Pumpe an. Das Motorengeräusch ist zu hören, aber es kommt keine Flüssigkeit aus den Ventilen. Weil schon die Einlaßventile kleben, wird nichts angesaugt. Manchmal hilft das Anheben des Eluentengefäßes, um etwas statischen Druck auf die Ventile zu geben, meistens hat das aber keinen Erfolg.

Nehmen Sie jetzt eine der üblichen Entlüftungsspritzen aus dem Zubehör der Pumpe und schrauben sie diese in eines der Auslaßentile, dann ziehen Sie kräftig den Kolben auf.
Es kommt nichts ? Dann sitzt das Einlaßventil sehr fest. Verfahren Sie wie weiter unten beschrieben.

Es kommt Flüssigkeit? Dann sind jetzt die Ventile frei und Sie wiederholen den Vorgang auf der anderen Seite. Wenn Sie nun die Pumpe einschalten und auf einen Fluß von 5 ml/min stellen, sollten mit jedem Kolbenhub reichlich Flüssigkeit aus den Ventilen kommen. Drücken Sie mit dem analytischen Zeige- und Mittelfinger auf die Öffnungen: sind die Druckstöße in etwa gleich stark?  Ein gutes Zeichen! 

Es ist unmöglich, mit der Spritze Flüssigkeit anzusaugen? Dann kleben die Ventile sehr fest. Befestigen Sie die Spritze auf der Einlaßseite der Pumpe und drücken Sie kräftig in die Pumpe hinein. Durch das Kolbenverhältnis Spritze=groß Ventil=klein können Sie einen sehr hohen Druck aufbauen, der die Ventilkugel mit Sicherheit vom Sitz losreißt. 

Montieren Sie die Kapillaren wieder an den Auslaßventilen und irgendetwas an den Ausgang der Pumpe, was einen Gegendruck von etwa 50 bar bei einem Fluß von 1 ml/min erzeugt. Die Kugelventile brauchen etwas Gegendruck, um zu schließen.
Der Pumpendruck wird jetzt wahrscheinlich um 20 bar oder mehr schwanken. Das heißt, es wird gefördert, aber ungleichmäßig, weil die Ventile sind noch nicht sauber sind, es gibt eine hohe Leckrate. 

Ventilkartuschen (links) und zerlegbare Ventile (rechts)
Setzen Sie einen Topf mit heißem Haushalts-Essigreiniger an, soviel, daß es bei 1 ml/min bis zum nächsten Tag reicht. Pumpen Sie diesen durch die Pumpe, nicht ohne vorher die Abschaltschwelle auf 10 oder 20 bar zu setzen. Wenn alles klappt, wird die Druckanzeige am nächsten Morgen stabil sein und kann verwendet werden. Warum ist das so?

Der Italiener Giovanni Battista Venturi entdeckte, dass sich die Fließgeschwindigkeit eines durch ein Rohr strömenden Fluids zu einem sich verändernden Rohrquerschnitt umgekehrt proportional verhält.

Also auf gut deutsch: da wo es eng ist, fließt es schneller.

Und am engsten ist es zwischen Ventilkugel und Sitz! Dort herrscht also eine sehr hohe Strömungsgeschwindigkeit, so daß alles, was an Schmutz dort ist, wie mit einem Hochdruckreiniger weggeblasen wird. Das dauert natürlich seine Zeit, deswegen läßt man die Pumpe sinnvollerweise über Nacht sich selbst reinigen. 
 
Jetzt kommen wir endlich zu den Kolbendichtungen: Hat der Vorbenutzer keinen Puffer im System gelassen, sind die Chancen recht gut, daß die Dichtungen nicht kaputt sind. Wenn sie richtig kaputt sind, läuft es schon nach wenigen Minuten unter den Köpfen heraus. Dann hilft alles nicht, die müssen ausgewechselt werden. Tropft aber nach einer halben Stunde immer noch nichts, dann lassen Sie die Pumpe über Nacht laufen. Ist am nächsten Tag  immer noch alles trocken, machen Sie noch einen Test bei Arbeitsdruck, hat die Pumpe jedoch nasse Füße, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, die Dichtungen auszuwechseln und bei der Gelegenheit auch die Kolben zu inspizieren.

Ist die Pumpe dicht, zeigt aber immer noch heftige Druckschwankungen, bestellen Sie neue Ventile bei der Firma TECHLAB. Auf dieser Seite finden Sie auch weitere Hinweise zur Fehlersuche. 


Nur wenn erhebliche Druckschwankungen gleichzeitig mit einer Leckage auftreten, ist die Kolbendichtung schuld, sonst nicht! 

Sicherheitsbelehrung: Alle Hinweise nach bestem Wissen und 30 Jahren Erfahrung, aber ohne Garantie.  Bitte beachten Sie die üblichen Schutzmaßnahmen ( Handschuhe, Brille ) beim Hantieren mit gefährlichen Flüssigkeiten.  Auch Wasser spritzt ziemlich heftig, wenn die Pumpe plötzlich  doch fördert.  

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